Betriebsänderung

a) Begriff/ Voraussetzungen
· Begriff der Betriebsänderung:
Der Gesetzgeber hat in § 111 S. 3 BetrVG festgelegt, dass bestimmte Maßnahmen des Unternehmens ohne weiteres als Betriebsänderungen anzusehen sind. Die vom Gesetzgeber in § 111 S. 1 BetrVG als weitere Voraussetzung geforderten wesentlichen Nachteile werden in den in den Nr. 1 bis 5 des
§ 111 BetrVG vorgegebenen Möglichkeiten der Betriebsänderung unterstellt. § 111 S. 3 BetrVG ist aber nur als beispielhafte Aufzählung zu sehen und nicht abschließend.

 

Betriebsänderung ist jede Änderung der betrieblichen Organisation, der Struktur, des Tätigkeitsbereichs, der Arbeitsweise, der Fertigung, des Standortes und ähnliche Veränderungen unter der Voraussetzung, dass die Veränderungen wesentliche Nachteile für die Belegschaft oder erhebliche Teile derselben zur Folge haben können. 
· Allgemeine Voraussetzungen der Beteiligungsrechte gem. §§ 111 ff. BetrVG:
Abhängigkeit von der Unternehmensgröße:
Beteiligungsrechte bestehen nur, wenn im Unternehmen in der Regel mehr als 20 wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt werden.
Entscheidend ist der Begriff des Unternehmens, nicht des Betriebes. Hieraus folgt, dass auch in kleineren Betrieben ein Interessenausgleich versucht werden muss, wenn das Unternehmen mehr als 20 wahlberechtigte Arbeitnehmer hat. Die Wahlberechtigung ist wiederum in § 7 BetrVG geregelt.
Bei betriebsübergreifenden Betriebsänderungen ist der Gesamtbetriebsrat zuständig. Die Betriebsänderung ist hingegen betriebsbezogen zu prüfen.
Zu den Arbeitnehmern des Unternehmens gehören auch die Heimarbeiter, Leiharbeitnehmer, wenn sie länger als drei Monate in dem Betrieb eingesetzt werden, hingegen nicht freie Mitarbeiter, Arbeitnehmer von Fremdfirmen sowie ebenfalls nicht die in § 5 Abs. 2 und Abs. 3 BetrVG genannten Personen.
· Bestehen eines Betriebsrates:
Wird der Betriebsrat erst gewählt, nachdem der Unternehmer schon mit der Betriebsänderung begonnen hat, bestehen keine Beteiligungsrechte hinsichtlich der Betriebsänderung.
· Wesentliche Nachteile:
Die Betriebsänderung muss nach § 111 S. 1 wesentliche Nachteile für die Belegschaft oder erhebliche Teile der Belegschaft zur Folge haben. Die nachteiligen Folgen werden bei den in S. 3 genannten Maßnahmen fingiert ( BAG NZA 2011, 466 ). §111 S. 3 BetrVG ist nach herrschender Meinung nicht abschließend. Der Streit ist aber theoretischer Natur, weil die meisten Fälle unter S. 3 fallen. Falls es darauf ankommt, sind unter wesentlichen Nachteilen materielle und immaterielle Gesichtspunkte zu sehen, wie zum Beispiel Verringerung des Arbeitsentgelts, Verlust des Arbeitsplatzes, höhere Kosten, Qualifikationsverluste. Nachteile sind unwesentlich, wenn sie nach kurzer Einarbeitungszeit beseitigt sind.
· Betroffenheit der Belegschaft oder erheblicher Teile:
Es werden insoweit die Grenzwerte des § 17 Abs. 1 S. 1 KschG herangezogen, jedoch müssen mind. 5 % der Belegschaft betroffen sein.
b) Formen der Betriebsänderung
1) Einschränkung und Stilllegung des ganzen Betriebs oder von wesentlichen Betriebsteilen:
Der Übergang des Betriebes als Ganzes auf einen neuen Erwerber stellt nach überwiegender Auffassung keine Betriebsänderung dar. Folglich besteht kein Schutz gegen die bloße Auswechslung des Betriebsinhabers und die damit eventuell verbundene Verringerung der Haftungsmasse .
Eine Betriebsteilspaltung hingegen löst Mitbestimmungsrechte, allerdings im Sinne des Satzes 3 Nr. 3 aus.
Für die Abgrenzung Betrieb und Betriebsteil kommt es auf den Begriff gem. § 4 BetrVG an.
Unter Betriebsstilllegung versteht man die Auflösung der zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehenden Betriebs- und Produktionsgemeinschaft = die ernste Absicht des Arbeitgebers den bisherigen Betriebszweck dauernd nicht weiter zu verfolgen.
Keine Betriebsstilllegung liegt hingegen vor, wenn sich die Beendigung aus der Eigenart des Betriebes ergibt, zum Beispiel bei einem Saisonbetrieb.
Eine Betriebsveräußerung ist als solches nicht mitbestimmungspflichtig, jedoch können mit ihr Betriebsänderungen verbunden sein, zum Beispiel wenn alle Arbeitsverhältnisse vor dem Betriebsübergang beendet worden sind, weil dann eine Betriebsstilllegung i.S.v. S. 3 Nr. 1 vorliegt.
Die Verlegung eines Betriebs oder Betriebsteils ist eine Betriebsänderung im Sinne des § 111 S. 3 Nr. 2, wobei für den Fall, dass die bisherige Belegschaft an dem neuen Standort nicht weiterbeschäftigt wird, bereits eine Betriebsstilllegung im Sinne des § 111 S. 3 Nr. 1 BetrVG vorliegt.
Wesentlicher Betriebsteil i.S.v. S. 3 Nr. 1 ist eine betriebswirtschaftlich oder technisch abgrenzbare Organisation innerhalb der gesamten Betriebsorganisation, die für den gesamten Betrieb wesentlich sein muss. Der Begriff der Wesentlichkeit ist anzunehmen, wenn in dem Betriebteil ein erheblicher Teil der Gesamtbelegschaft, d.h. mit mind. 5 % der Belegschaft tätig ist – Zahlenwerte des § 17 KSchG müssen erfüllt sein.
Einschränkung des Betriebes = Herabsetzung der Leistungsfähigkeit des Betriebes durch Verringerung der sächlichen Betriebsmittel oder Einschränkung der Zahl der Arbeitnehmer ( BAG 28.04.1993 ), z.B. durch Außerbetriebsetzung von Maschinen, nicht jedoch saisonbedingte Schwankungen oder Verkürzung der Arbeitszeit oder geringere Schichtzahl.
Betriebseinschränkung durch Personalabbau:
Eine Betriebsänderung ist anzunehmen, wenn die Arbeitsplätze einer größeren Anzahl von Arbeitnehmern wegfallen, und zwar derjenigen, die im Betrieb, es kommt nicht auf das Unternehmen an, beschäftigt sind, wobei auf die Zahlen und Prozentangaben in § 17 Abs. 1 KSchG abzustellen ist, jedoch mind. 5 % der Belegschaft
( BAG 17.03.2016):
Betriebe mit 21 – 59 ArbN mehr als 5 ArbN
Betriebe mit 60 – 490 ArbN 10% der ArbN oder aber mehr als 25 ArbN
Betriebe mit 500 – 599 ArbN mind. 30 ArbN
Betriebe mit über 600 ArbN mind. 5 % der ArbN.
Bei Unternehmen mit in der Regel mehr als 20 wahlberechtigten ArbN kommt § 111 auch in kleineren Betrieben zur Anwendung, wobei aber mind. 6 ArbN von der Entlassung betroffen sein müssen ( BAG 09.11.2010 ).
2) Verlegung des ganzen Betriebes oder von wesentlichen Betriebsteilen
Unter Verlegung versteht man jede nicht nur geringfügige Veränderung der örtlichen Lage des Betriebes oder von wesentlichen Betriebsteilen unter Weiterbeschäftigung des gesamten oder des größten Teils der Belegschaft, z.B. vom Stadtzentrum an den Stadtrand oder an einem z.B. 4 km entfernten Ort. Ob die ArbN aufgrund des Arbeitsvertrages ( Direktionsrecht ) verpflichtet sind, an dem neuen Arbeitsort tätig zu sein, oder ob eine Änderungskündigung erforderlich ist, beeinflusst das MBR nicht.
3) Zusammenschluss mit anderen Betrieben oder die Spaltung von Betrieben
§ 111 S. 3. Nr. 3 betrifft nur den Zusammenschluss oder die Spaltung von Betrieben. Reine Zusammenschlüsse oder Spaltungen auf Unternehmungsebene, wie z.B. Umwandlungen unterliegen nicht der Mitbestimmung gem. § 111 BetrVG, wobei aber eine Unterrichtspflicht gem. § 106 Abs. 3 Nr. 8 BetrVG gegenüber dem Wirtschaftsausschluss besteht.
4) Grundlegende Änderung der Betriebsorganisation, des Betriebszwecks oder der Betriebsanlagen
Änderungen der Betriebsorganisation bedeutet Umwandlung des Betriebsaufbaus, insbesondere hinsichtlich Zuständigkeit und Verantwortung ( BAG 22.03.2016 – 1 ABR 12/14, NZA 2017,98/94. ) Beispiele: Zentralisierung oder Dezentralisierung von Zuständigkeiten, Umorganisation von Spalten, Neugliederung von Betriebsabteilungen, z.B. auch beim Übergang zur Gruppenarbeit. Das „Outsourceng“ kann zu einer grundlegenden Änderung der Betriebsorganisation führen.
Betriebszweck im Sinne der Nr. 4 ist der mit dem Betriebs verfolgte arbeitstechnische Zweck ( BAG 16.06.1987 ).
5) Einführung grundlegender neuer Arbeitsmethoden und Fertigungsverfahren
Arbeitsmethode = die jeweilige Art, eine Arbeit systematisch abzuwickeln, insbesondere die Strukturierung des Arbeitsablaufs und der Einsatz technischer Hilfsmittel, technologische Veränderungen, z.B. Einführung von Gruppenarbeit.
Begriff des Fertigungsverfahren in Nr. 5 entspricht dem der Fabrikationsmethode im Sinne von § 106 Abs. 3 Nr. 5 BetrVG, d.h. das planmäßige Vorgehen bei der Erzeugung von Produkten.
Ob eine Arbeitsmethode oder ein Fertigungsverfahren neu ist, ergibt sich nicht aus dem allg. technischen Stand, sondern den konkreten Verhältnissen des jeweiligen Betriebes. Der Übergang zu Nr. 4 und nr. 5 des § 111 ist fließend. 
c) Rechtzeitige und umfassende Unterrichtung des Betriebsrates sowie Beratung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat – Hinzuziehung eines Beraters
Anders als beim Sozialplan besteht für den BR kein volles Mitbestimmungsrecht – er kann die Betriebsänderung nicht verhindern oder eine Durchführung erzwingen. Der AG muss den BR nur unterrichten und sich mit ihm beraten. Allerdings muss der AG alle Möglichkeiten einer Einigung über den Interessenausgleich ausschöpfen und die Einigungsstelle anrufen sowie das Einigungsstellenverfahren durchführen, auch wenn die Einigungsstelle keinen Spruch erlassen darf.
Unternehmer i.S.d. §§ 111 ff. = Inhaber des die Betriebsänderung planenden Betriebes, nicht das herrschende Unternehmen in einem Konzern, auch wenn die Entscheidungen vom herrschenden Unternehmen getroffen werden und die Betriebsänderung aber im beherrschten Unternehmen erfolgt.
Bei gemeinsamem Betrieb mehrerer Unternehmer muss entweder mit allen Unternehmen, die den Betrieb führen, oder mit der von den Unternehmen gestellten Betriebsleitung verhandelt werden.
Zeitpunkt der Unterrichtung = rechtzeitig:
Der BR muss durch die Unterrichtung in die Lage versetzt werden, auf das Ob und Wie der geplanten Betriebsänderung Einfluss nehmen zu können.
Bei Verletzung der Pflicht haben die ArbN nach § 113 Abs. 3 einen Anspruch auf Nachteilsaufgleich.
Art und Umfang der geplanten Betriebsänderungen müssen bekannt und konkretisiert sein
( BAG 30.05.2006 ). Der Unternehmer darf vor der Aufnahme der Beratung mit dem BR noch keine vollendeten Tatsachen geschaffen haben( BAG 14.04.2005 ).
Inhalt und Form der Unterrichtung:
Sie muss umfassend sein:
– Darlegung der Gründe für die geplante Betriebsänderung, genauer Inhalt der möglichen Maßnahme
– Auswirkungen auf die ArbN
– Zeitplan muss dargestellt werden,
– der BR muss in die Lage versetzt werden, sich ein vollständiges Bild über die geplante Maßnahme und ihre Auswirkungen zu machen.
Stehen Alternativen zur Auswahl muss auch über diese informiert werden.
- Soziale Folgen der geplanten Betriebsänderung gehören dazu ( BAG 30.04.2004 ).
Die vorausgegangene Unterrichtung an den Wirtschaftsausschuss genügt nicht. Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse schränken die Unterrichtungspflichten nicht ein.

 

Es ist keine bestimmte Form vorgeschrieben, sodass auch die mündliche Unterrichtung genügt. Die Verpflichtung zur Vorlage der erforderlichen Unterlagen ergibt sich aus § 80 Abs. 2 S. 2 BetrVG. 

Fachanwalt für Arbeitsrecht - Fachanwalt für Familienrecht - Fachanwalt für Verkehrsrecht

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